Beruf & Verband: Aus dem Verband
forum:logopädie Jg. 38 (5) September 2024

IALP feiert 100-jähriges Bestehen

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dbl

Wie war es nochmal damals, als die Logopädie sich langsam zur eigenständigen Fachrichtung entwickelte? Und wie sieht die Gegenwart und Zukunft des Berufes aus heutiger Sicht aus? Zum 100-jährigen Jubiläum der „International Association of Logopedics and Phoniatrics“ (IALP) machten sich Luisa Bußmann und Prof. Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt (BKIB) sowie Dr. Angelika Rother (dbl-Reisestipendiatin und Referentin auf der Feier) auf den Weg nach Wien, um gemeinsam mit internationalen Gästen zurückzublicken und die Meilensteine der Logopädiegeschichte zu feiern. Ihre Eindrücke können Sie in den folgenden Reiseberichten nachlesen.

100 Jahre IALP – Ein Jahrhundert „Logopädie“

Vor 100 Jahren gründete der berühmte Phoniater Emil Fröschels gemeinsam mit weiteren bedeutenden Persönlichkeiten die „Gesellschaft für Logopädie und Phoniatrie“ im Rahmen ihres ersten Kongresses am 3. Juli 1924 in Wien. Die zunächst überwiegend phoniatrische Fachgesellschaft entwickelte sich zur „International Association of Logopedics and Phoniatrics“ (IALP) und versammelte neben Phoniater*innen und Logopäd*innen zunehmend weitere Expert*innen für Kommunikation und Kommunikationsstörungen, sodass ihre Mitglieder 2019 die von Regierungen und Politik unabhängige Organisation umbenannten in „International Association of Communication Science and Disorders“.

v.l.: Prof. Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt und Luisa Bußmann in feierlicher Stimmung auf der Jubiläumsfeier der IALP dbl

Es kamen Delegierte des globalen Netzwerkes mit mehr als 350.000 Fachleuten aus Afrika, Asien, Australien, Europa, Nord- und Südamerika in Wien zusammen, um das 100-jährige Bestehen der IALP würdig zu feiern. Auch aus Deutschland nahmen einige individuelle sowie Verbandsmitglieder der IALP teil, so auch Delegierte des dem Deutschen Bundesverband für Logopädie (dbl) aus der Bundeskommission für Internationale Beziehungen (BKIB) und der Bundesstudierendenvertretung (BSV).

Fachsymposium zum 100-jährigen Bestehen

Das Composium (ein von der IALP geprägter Begriff aus Congress und Symposium) anlässlich des 100-jährigen Jubiläums fand vom 27. bis 29. Juni in unmittelbarer Nähe der von Fröschels geführten ersten Schule für Logopädie statt. Die Veranstaltung wurde in einem klassischen Wiener Palais feierlich eröffnet und bot einen festlichen Rahmen. Präsident Brian Shulman (USA) führte in die Veranstaltung ein, und viele der ehemaligen IALP-Präsident*innen, darunter Pam Enderby (Großbritannien), Lilly Cheng (USA), Helen Grech (Malta), Mara Behlau (Brasilien) und Nasser Kotby (Ägypten), berichteten über die Geschichte und die Entwicklung der IALP. Auch logopädieaustria-Präsidentin Karin Pfaller-Frank (Österreich) begrüßte die Teilnehmer*innen in Wien und betonte die Bedeutung sowie den Einfluss des einstigen Europas für die Entstehung der Profession. In ihrem Vortrag präsentierte sie darüber hinaus die Ergebnisse aus ihrer Dissertation zum ökonomischen Nutzen einer frühzeitigen logopädischen Versorgung.

Zum Abschluss der Eröffnung wurde die langjährige Logopädin Evemarie Haupt, seit dem dbl-Kongress 2024 dbl-Ehrenmitglied, seitens des IALP für ihr Wirken im „Voice Committee“ sowie ihren Beitrag zur Osterweiterung des Weltverbandes in den 1990er Jahren ausgezeichnet.

Es folgten zwei ganze Tage mit einem Vortragsprogramm, das das breite Spektrum der Logopädie abbildete. Neben einem Beitrag von Antoine Duttine (WHO) stellten Vertreter*innen der 14 IALP-Fachkomitees sowohl „State-of-the-Art“ in der Diagnostik und Therapie als auch die aktuellen Herausforderungen und innovativen Lösungen in der logopädischen, audiologischen und phoniatrischen Versorgung zu verschiedenen Beeinträchtigungen und zur Klientel in unterschiedlichen Ländern vor. Auch deutsche IALP-Mitglieder präsentierten ihre Arbeiten, darunter Dr. Angelika Rother, die mit Unterstützung des dbl-Reisestipendiums einen Einblick in ihre Doktorarbeit zum Thema kindliche Aphasien gab. Prof. Dr. Scharff Rethfeldt, zugleich Vizepräsidentin der IALP und Mitglied der BKIB, stellte gemeinsam mit Dr. Lemmietta McNeilly (USA) die Ergebnisse der weltweiten Studie zur klinischen Diagnostik bei Verdacht auf Sprachentwicklungsstörung entsprechend der aktuellen SES-Terminologie bei mehrsprachigen Kindern vor. Dank an den dbl: Luisa Bußmann (BKIB) und Nina Hildebrandt (BSV) erhielten im Rahmen ihrer Funktionärstätigkeit finanzielle Unterstützung zur Teilnahme am IALP Composium.

Unser Resümee

Es war uns eine große Ehre, in unserer Funktion als Mitglieder der BKIB gemeinsam mit Nina Hildebrandt an dieser festlichen Tagung teilzunehmen. Die vielseitigen und gehaltvollen Vorträge behandelten Themen wie Mehrsprachigkeit bei Kindern, neue Ansätze in der Diagnostik bei Kindern im Vorschul- und Schulalter, Redeflussstörungen, veränderte Herausforderungen in Hördiagnostik und -versorgung, den Umgang mit Stimmstörungen bei Lehrkräften in verschiedenen Ländern/Kulturen, kindliche Aphasien, Anpassung von Curricula und Ermöglichung der logopädischen Ausbildung in Afrika und Asien sowie die Versorgung von Menschen mit Dysphagien in unter- oder unversorgten Regionen oder Regionen ohne Zugang zur Logopädie.

Besonders inspirierend war der Austausch mit Fachleuten aus aller Welt. Es war eine seltene Gelegenheit, Menschen aus Australien, Brasilien, Deutschland, Großbritannien, Hong Kong, Israel, Japan, Schweden, Neuseeland, Österreich, den USA und vielen weiteren Ländern zu treffen und sich über gemeinsame berufliche Interessen auszutauschen. Die freundliche und offene Atmosphäre ermöglichte es, auf dem Gemeinschaftsabend unkompliziert ins Gespräch zu kommen.

Prof. Dr. Scharff Rethfeldt (vierte v. l.) und Luisa Bußmann (sechste v. l.) stoßen gemeinsam mit Kolleginnen aus Schweden an dbl

Die herzliche Stimmung und die hochqualifizierten, renommierten Redner*innen aus aller Welt boten wertvolle Einblicke, die in die eigene praktische Tätigkeit einfließen können. Daher empfiehlt die BKIB allen, die die Möglichkeit haben, die Atmosphäre eines internationalen Kongresses zu erleben, die Chance einer Teilnahme zu nutzen.

Hierzu bietet sich der nächste 33. IALP-Weltkongress, der vom 24. bis 28. August 2025 in Malta stattfindet, geradezu an!

Luisa Bußmann
Prof. Dr. Wiebke Scharff Rethfeldt

Mit dem dbl Reisestipendium zur 100. Jahresfeier der IALP nach Wien

Vom 27.-29. Juni 2024 durfte ich nach Wien in die Geburtsstadt der International Association of Communication Sciences and Disorders (IALP) reisen, wo ein Symposium anlässlich des 100. Geburtstages des Verbandes stattfand. Aus 25 verschiedenen Ländern reisten Kolleg*innen zum Teil von sehr weit her an. Nur 14 teilnehmende Personen kamen aus Österreich und 15 Personen aus dem benachbarten Deutschland. Es gab zwei Keynotes und 22 Präsentationen.

Ich durfte als Vertreterin des Aphasie-Komitees Teile meiner Doktorarbeit aus dem Jahr 2023 vorstellen und zu „Emil Fröschels and his importance for Pediatric Aphasia“ sprechen. Der Mitbegründer und erste Vorsitzende der IALP Emil Fröschels war Poet, Philosoph, Phoniater und Intellektueller. Er war seiner Zeit voraus und hat als einer der ersten als Pionier in seinem legendären „Lehrbuch der Sprachheilkunde(Logopädie)für Aerzte,Pädagogen und Studierende“ von 1913 dieTherapie eines Kindes mit Aphasie beschrieben. Ich danke dem dbl für das Reisestipendium, das es mir ermöglichte, Emil Fröschels zu ehren.

Dr. Angelika Rother

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