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forum:logopädie Jg. 39 (1) Januar 2025

Thomas Lascheit über stimmtherapeutische Kompetenzen und die LaKru®-Methode

Logopädische Therapie für trans*, inter* und queere Menschen
Lesezeit: ca. 6 Minuten
Silke Böttger

Thomas Lascheit ist seit 2007 Logopäde aus Berlin. Schon zu seiner Studienzeit entwickelt er ein besonderes Interesse für das Thema Stimmtransition. Im Interview mit Claudia Wachsmann berichtet er, warum der Fokus auf die logopädische Arbeit mit trans*, inter* und queeren Menschen ihn erfüllt, welche wichtigen Veränderungen es in den letzten Jahren bezogen auf Stimmtransition gab und was hinter der von ihm entwickelten LaKru®- Methode steckt.

Thomas Lascheit zeigt Claudia Wachsmann im Interview vielfältige Perspektiven auf das Thema Stimmtransition Silke Böttger

Wie bist Du zum Thema Stimmtransition gekommen?

Das Thema Stimme hat mich als Sänger schon immer interessiert. Ich habe in Heerlen (NL) Logopädie studiert und wollte unbedingt meine Bachelorarbeit im Bereich Stimme schreiben. Es sollte ein nicht alltägliches Thema sein – etwas Kreatives. Meine Dozentin Diana Houben hatte mir von einem trans*maskulinen Studenten erzählt, der über die Auswirkung von Testosteron auf die eigene Stimme geschrieben hatte. Da hörte ich das erste Mal von trans*.

Warum hat Dich dieses Thema so gepackt?

Als ich 2007 mein Studium beendet habe, war die Gesellschaft eine andere, als sie heute ist. Trans* Menschen haben quasi „nicht existiert“! Bedenke, dass z.B. Homosexualität zwar ab 1969 straflos war, aber im Grunde bis 1994 gesetzeswidrig – erst dann erfolgte die endgültige Streichung des §175 aus dem Gesetzbuch.
Auch ich bin als schwuler Mann ein Teil der LGBTIQA+ Community. Ich weiß, wie es ist, diskriminiert und beleidigt und von der Gesellschaft an den Rand gedrängt zu werden, weshalb ich mich auch „recht spät“ – mit 21/22 Jahren – überall outete. Es war schnell klar, dass mein Thema „Trans*“ sein sollte und so habe ich gemeinsam mit Stephanie Kruse die Bachelorarbeit und später mit ihr und Diana Houben die Fachliteratur „Materialsammlung zur stimmtherapeutischen Arbeit mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen“ geschrieben.

Das Wording dort sowie die persönlichen und fachlichen Sichtweisen haben sich seitdem enorm
verändert. Ich frage beispielsweise schon ewig nicht mehr nach der geschlechtsangleichenden Operation. Das ist sehr übergriffig und liefert für die stimmtherapeutische Arbeit keinerlei Mehrwert.
Dennoch ist es – rein stimmtherapeutisch betrachtet – weiterhin eines der umfangreichsten und aktuellsten Werke, das es auf dem Markt gibt.

Definitionen

trans*

Menschen, denen bei der Geburt anhand der äußerlichen Geschlechtsmerkmale das falsche Geschlecht zugewiesen wurde

cis*

Menschen, denen bei der Geburt anhand der äußerlichen Geschlechtsmerkmale das richtige Geschlecht zugewiesen wurde

Bei einer Untersuchung gaben in Bayern 93 Prozent der queeren Jugendlichen an, Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. Tragen Logopäd*innen vor diesem Hintergrund Deiner Meinung nach eine besondere Verantwortung?

Wir Therapierenden sind gefordert, uns mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Jeder cis*hetero-normative Mensch sollte sich vor Augen halten, dass er in einer Bubble lebt und dass eine Alltagsdiskriminierung existiert, die sehr viele queere Menschen erleiden. Es geht also um den eigenen Standpunkt, zum Beispiel eine gendersensible Sprache in der Praxis. Das bedeutet übrigens nicht zwingend, mit dem Gendersternchen arbeiten zu müssen. Viele queere Menschen haben einen Leidensweg hinter sich und den gilt es zu verstehen und das entsprechend sensibel in der eigenen Wortwahl auf der Homepage, in Praxisformularen u.v.m. auszudrücken. Das signalisiert: Wir sehen dich! Hier bist du sicher! Wir stehen hinter dir! Wir sind vielleicht nicht perfekt, aber offen dafür, von dir dazuzulernen!

Meine Generation von Logopäd*innen hat in der Ausbildung nichts von Stimmtransition gehört. Ändert sich da gerade etwas?

In der Logopädie lernen wir, die kranke Stimme zu heilen. Dazu zählen oft Weitung, Entspannung und das Wegnehmen von Druck. Wir lernen nicht, wie wir einen gesunden Stimmklang verändern können. Die klassischen Übungen haben nicht das Ziel, das wir bei der Stimmfeminisierung haben. Bei der Stimmmaskulinisierung, wenn Testosteron schon ein Wachstum des Kehlkopfes und seiner Strukturen bewirkt hat, können auch die klassischen Methoden zielführend sein. Für die Feminisierung brauchen wir aber etwas anderes.
Wir brauchen Spannung und Enge an den richtigen Stellen. Dieses Wissen und die zugehörigen Skills werden leider auch heute noch an den wenigsten Logopädieschulen vermittelt. Aber ich höre vermehrt, dass das Thema wenigstens kurz angeschnitten wird. Das reicht zwar lange nicht, aber es ist eine sehr gute Entwicklung.

Was sind die Elemente von LaKru®?

Die Basis von LaKru® stammt aus der Gesangspädagogik – überwiegend aus dem Estill-Voice-Training. Die Entwicklerin Joe Estill hat analysiert, welche Muskeln bei verschiedenen Stimmklängen aktiv sind und wie diese zusammenspielen. Sie hat Übungen mit dem Ziel entwickelt, diese Muskeln isoliert anzusteuern, um sie anschließend in einem Stimmrezept zum gewünschten Stimmklang zu kombinieren. Für Stephanie und mich war das total neu. Wir haben dieses Wissen genutzt, um die Entstehung des Stimmklangs von trans* Frauen zu analysieren, die wir stimmlich als cis*weiblich wahrgenommen haben. Dabei konnten wir einige Gemeinsamkeiten feststellen.Wir haben diese dann in vier Bausteinen zusammengefasst:

  1. Taschenfalten: Wir arbeiten mit Spannung und Enge im Ansatzrohr. Hierbei ist es jedoch wichtig, dass sich diese Spannung nicht auf die Taschenfalten überträgt. Das Ziel ist eine mittlere bis weite Taschenfaltenposition.
  2. Kehlkopfpositionen: Eine erhöhte Position des Kehlkopfes färbt den Stimmklang hell, eine tiefe Position dunkel. Ein und derselbe Ton wird oft – je nach Kehlkopfposition – als höher oder tiefer wahrgenommen, obwohl die Tonhöhe sich nicht verändert hat. Die Position des Kehlkopfes ist oft einer der effektivsten Bausteine.
  3. Stimmfunktionsbereiche: Dies beschreibt den Anteil der schwingenden Masse im jeweiligen Bereich der Range: Dicke Masse (= Vollschwingung), dünne Masse (= Randschwingung), offene Masse (= Falsett).
  4. Twang: In LaKru® wird der Begriff „Twang“ genutzt, um den Sound zu beschreiben, der beim Verengen des aryepiglovschen Sphinkters entsteht. Eine Prise Twang verleiht dem Klang Helligkeit und Tragfähigkeit. Ich vergleiche es gerne mit dem Salz in der Suppe.

Diese vier Bausteine werden isoliert trainiert und dann in einem fünften Baustein individuell kombiniert.Stimmtherapeutische Kompetenzen und Übungen, wie z.B. manuelle Einheiten und LAX VOX®, vervollständigen die LaKru®-Methode.Wir haben das Rad nicht neu erfunden, das möchte ich betonen. Unsere Arbeit war es, das vorhandene Wissen strukturiert zusammenzufassen, sodass wir gezielter – und somit deutlich effektiver – am Stimmklang arbeiten können.

Claudia Wachsmann ist seit 1989 Logopädin. Als erfahrene Stimmtherapeutin hat sie ihr Wissen für die Stimmtransition mit der LaKru®-Methode und der Estill Voice Therapy erweitert und intensiviert.

Ich erlebe eine Zunahme von trans* Menschen in meinem Umfeld, nicht nur in der Praxis. Ist das auch Deine Wahrnehmung?

Es gibt keine Zunahme, weil es jetzt „in“ ist, das ist Quatsch! Die Menschen waren schon immer da, nur haben sie sich nicht gezeigt. Mit dem gesellschaftlichen Wandel hat sich dies verändert. Deswegen brauchen trans* und non-binäre Menschen auch deutschlandweit Anlaufstellen in der Logopädie, nicht nur in den Großstädten.

Wie siehst Du das mit stimmangleichenden Operationen? Manche Kliniken machen ja geradezu Werbung damit.

Wenn eine Beratung erwünscht ist, kläre ich über die Vor- und Nachteile der stimmchirurgischen Maßnahmen auf. Die Glottoplastik wird in Deutschland am häufigsten durchgeführt. Hierbei wird, vereinfacht erklärt, ein Drittel oder mehr der Stimmlippe zusammengenäht, sodass weniger Masse schwingt.
Es gibt viele wirklich gute Ergebnisse, leider aber auch sehr schlechte. Hierbei ist aber nur sehr selten das eigentliche OP-Ergebnis das Problem, sondern der individuelle Umgang mit diesem – und dieser kann nicht
zwingend vorhergesehen werden. Studien zeigen, dass bei Operationen die Sandwich-Methode, also Logo-OP-Logo, die besten Ergebnisse erzielt. Zumal die Operation ja auch nur die Tonhöhe, nicht aber die Resonanz verändert.
Meine persönliche Meinung dazu ist: Du musst eh zur Stimmtherapie und viele Inhalte erlernen. Probiere es also erst damit, die OP ist dann immer noch eine Option, wenn dir die Ergebnisse nicht ausreichen.

Vielen Dank für dieses Gespräch. Und danke auch für Deinen Einsatz in diesem Bereich!

Ausführliche Informationen zu der LaKru®-Methode finden Sie hier:

https://thomaslascheit.de/#!/up dbl e.V.

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