Theorie & Praxis
forum:logopädie Jg. 39 (3) Mai 2025

Was haben Basel und Minnesota gemeinsam?

Heidi Macha-Krau, Ricki Nusser-Müller-Busch und Linda Schrey-Dern nehmen Wissenswertes unter die logopädische Lupe
Lesezeit: ca. 3 Minuten
privat

Dank Internet weiß ich, dass im Mai 2025 in Basel der Eurovision Song Contest stattfindet und dass Musiklegenden wie Bob Dylan und Prince in Minnesota, dem nördlichsten Bundesstaat der USA, aufgewachsen sind. Musikalisch gibt es also, abgesehen vom persönlichen Musikgeschmack, gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Basel und Minnesota. Eine interessantere Gemeinsamkeit finden wir jedoch auf einem ganz anderen Gebiet, nämlich (Sie ahnen es schon) in der Logopädie.

Um das zu erklären, möchte ich mit Ihnen eine kleine Reise in die Vergangenheit unternehmen.

Auf der Suche nach Antworten

Es war Ende der 1970er Jahre, als sich immer mehr Patient*innen mit einer aphasischen Störung in meiner Praxis meldeten. Natürlich hatte ich während des Studiums etwas über Aphasie gehört, aber, um ehrlich zu sein, war da ein weißer Fleck in meinem Kopf. Kolleg*innen in meiner Umgebung gab es kaum und wenn es sie gab, wussten auch sie wenig über die unterschiedlichen Aphasie-Störungen. Die grundlegenden Fragen begleiteten mich immer wieder, nämlich: Liegt eine Aphasie vor und falls ja, welche Störung ist es und – vor allem – wie behandle ich diese?

Luise Springer hatte dieselben Fragen zur selben Zeit, wir wussten da aber noch nichts voneinander und Wikipedia lag in weiter Ferne.

Zum Glück hatte Bielefeld eine junge Universität mit einer wunderbaren Bibliothek. So lernte ich zunächst, dass an Verfahren geforscht wurde, die es ermöglichten, aphasische Störungen von nicht-aphasischen Störungen abzugrenzen. So weit, so gut. Zur Verfügung stand der 1962 von De Renzi und Vignolo entwickelte Token-Test. Ich legte los, lieh mir den Test aus und bastelte die dort aufgeführten Materialien nach, die ich für meine Arbeit verwenden konnte. (Psst, mit dem Urheberrecht gingen wir zu dieser Zeit eher unbedarft um!) Was ich herausfand: Der Token-Test konnte feststellen, ob eine Aphasie vorliegt, mehr aber auch nicht.

Der ersehnte Durchbruch

Erst auf dem Kongress des Zentralverbandes für Logopädie (ZVL, heute dbl) in Bad Segeberg 1983 lernte ich den Basel Minnesota Test kennen, der erstmals die Erfassung und Beurteilung sprachlicher Probleme beim Verstehen, Lesen, Sprechen und Schreiben ermöglichte. Hildred Magdalene Schuell (1906-1970) forschte seit 1948 im Bereich der Aphasiologie und entwickelte diesen Test, der sich an den Bedürfnissen der Patient*innen orientiert. Ihr Standardwerk „Differential Diagnosis of Aphasia with the Minnesota Test” wurde erst nach ihrem Tod 1973 veröffentlicht.

Von der Erstveröffentlichung in den USA bis zur Präsentation auf dem Kongress des ZVL in Bad Segeberg hat es also zehn Jahre gedauert. Christel Delavier und Arlene Graham aus Basel haben ihn für den deutschsprachigen Raum adaptiert. Er wurde bereits 1981 von der Testzentrale veröffentlicht, aber erst durch die Kongresspräsentation 1983 richtig bekannt. Mich hat der Test sofort überzeugt und ich habe ihn fortan als Diagnostikinstrument eingesetzt.

Treuer Wegbegleiter

Da liegt er nun vor mir: der Basel Minnesota Test (BMTDA) – bestehend aus einem Leitfaden im DIN-A5-Format, zwei Ringbüchern (in einer praktischen Größe von 18×13 cm) und Testprotokollen, das Ganze in einem strahlenden Mittelblau. Ich war damals richtig begeistert. Entzückt war ich auch von der handlichen Größe des Testmaterials, denn immerhin war der Test viele Jahre mein ständiger Begleiter bei Hausbesuchen.

Ich nutzte ihn auch noch, als der Aachener Aphasie-Test (AAT) schon längst auf dem Markt war und neue Standards in der Diagnostik setzte. Als wir in der Praxis den AAT einsetzten, wurde der BMTDA nicht entsorgt. War es aus Pietät? Nein, der BMTDA hat auch heute noch, 44 Jahre nach der Veröffentlichung, seinen berechtigten Platz in der Diagnostik von Aphasien und ist ein großartiger Gewinn, selbst wenn die Testzentrale heutzutage den Test nur in der Papierversion von 1981 und nicht digital aufbereitet anbietet.

Für mich und viele Logopäd*innen meiner Generation wird der Test für immer in Erinnerung bleiben als ein Meilenstein in der Aphasie-Diagnostik. Er war für uns lange Zeit ein treuer Wegbegleiter in unserer Arbeit und: Er ist wohl das schönste Verbindungselement, das ich mir zwischen Minnesota und Basel vorstellen kann.

In diesem Sinne: Thank you nach Minnesota und merci vilmal nach Basel.

Um mit Bob Dylan zu sprechen: „May you stay forever young“, lieber BMTDA!

Heidi Macha-Krau

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